Pflichten des Arbeitgebers bei der Stellenbesetzung

Bei jeder Einstellung ist der Arbeitgeber grundsätzlich dazu verpflichtet, zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden können. Diese Prüfungs¬pflicht des Arbeitgebers gemäß § 81 Abs. I SGB IX besteht unabhängig davon, ob Bewer¬bungen schwerbehinderter Menschen bereits vorliegen, ob der Arbeitgeber mehr als 20 Ar¬beitnehmer beschäftigt und ob er seine Pflichtquote nach § 71 SGB IX bereits erfüllt hat oder nicht.

Bei allen Arten von Stellenbesetzungen gilt die Prüfungspflicht des § 81 SGB IX. Auch bei innerbetrieblichen Versetzungen oder Umsetzungen und sogar vor der Besetzung einer freien Stelle mit einem Leiharbeitnehmer müssen Unternehmen Besetzungsmöglichkeiten mit eigenen schwerbehinderten Mitarbeitern berücksichtigen.

Die Prüfung darf nicht erst dann einsetzen, wenn schon Bewerbungen vorliegen, unter de¬nen sich ggfs. solche schwerbehinderter Menschen befinden. Vielmehr ist die Prüfung noch vor der Ausschreibung des freien Arbeitsplatzes vorzunehmen, um zu gewährleisten, dass schwerbehinderte Menschen die Chance einer Beschäftigung bekommen, bevor personal¬politische Entscheidungen getroffen werden. Der Arbeitgeber genügt dann seiner Verpflich¬tung, wenn er im Vorfeld jeder Stellenbesetzung rechtzeitig mit der Arbeitsagentur Kontakt aufnimmt und ihm kein geeigneter Arbeitnehmer benannt wird. Daher sollte der Arbeitneh¬mer seine Anfrage mit einer möglichst genauen Arbeitsplatzbeschreibung etwa eine Woche vor der Stellenausschreibung vornehmen. Die Nichtberücksichtigung schwerbehinderter Menschen bei der Besetzung freier Arbeitsplätze ist zwar nicht bußgeldbewährt; alle Ver¬stöße des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen bei der Stellenbesetzung lassen jedoch eine Benachteiligung schwerbehinderter Menschen vermuten. Diese Vermutung kann schon ausreichen, um über die Regelungen über Entschädigung und Schadenersatz in Verbindung mit dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz Schadenersatzansprüche des schwerbehinder¬ten Menschen gegenüber dem Arbeitgeber auszulösen.

Insbesondere ist Folgendes zu be¬achten:

Hat sich ein schwerbehinderter Mensch über eine vom Arbeitgeber ausgeschriebene Stelle beworben, so hat er diesen Bewerber über die Gründe seiner Entscheidung unverzüglich zu unterrichten. Steht fest, dass der Arbeitgeber einem schwerbehinderten Bewerber gegen¬über, entgegen § 81 Abs. I Satz 9 SGB IX keine Gründe für die Ablehnung der Bewerbung mitgeteilt hat, insbesondere nicht im Ablehnungsschreiben der Bewerbung, so ist eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung zu vermuten, die Schadenersatzan¬sprüche auslösen kann. Nach der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Hessen vom 07.11.2005 (NZA-RR 2006, 157) steht fest, dass diese Verpflichtung für alle Arbeitgeber, und nicht nur für solche, in denen einen Schwerbehindertenvertretung besteht, gilt. Der Gesetz¬geber habe, so das Landesarbeitsgericht Hessen, ganz offensichtlich bewirken wollen, dass nur in Betrieben mit einer Schwerbehindertenvertretung diese Informa¬tionspflicht besteht. Damit gelte die Verpflichtung des § 81 Abs. I Satz 9 SGB IV zur Unterrichtung aller Beteiligten generell bei einer Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen.

Gerade dann, wenn eine solche Interessenvertretung nicht bestehe, sei das Schutzbedürfnis des schwerbehinderten Bewerbers besonders groß, so das LAG Hessen.

Rechtsanwalt Günther Dingeldein,
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Stand: September 2008

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