Abgrenzung außertariflicher Angestellter - leitender Angestellter

Stand: August 2002


I. Ausgangslage

Außertarifliche Angestellte sind solche Angestellte, die von dem persönlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrages nicht mehr erfasst werden. Sie ragen nach ihrer Tätigkeit bzw. Funktion im Betrieb aus dem Kreis der Angestellten in der höchsten Tarifgruppe heraus.

Dies trifft regelmäßig auch auf leitende Angestellte zu. Allerdings ist jedoch nicht jeder außertarifliche Angestellte gleichzeitig auch leitender Angestellter, selbst wenn dies häufig vermutet wird. Für das Vorliegen eines leitenden Angestelltenverhältnisses müssen weitergehende Voraussetzungen erfüllt sein.

Eine Abgrenzung zwischen außertariflichen Angestellten und leitenden Angestellten ist bedeutsam, da für letztere vor allem sechs gesetzliche Sonderregelungen gelten:
  • sie sind von den Vorschriften über die Arbeitszeit ausgenommen (§ 18 AZG),
  • auf sie finden die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes keine Anwendung, es sei denn dies ist ausdrücklich bestimmt (§ 5 III 1 BetrVG),
  • sie sind zum Sprecherausschuss wahlberechtigt,
  • sie dürfen nur auf Arbeitgeberseite als ehrenamtliche Richter bei den Arbeits- und Sozialgerichten tätig sein (§§ 22 II Nr. 2, ArbGG, 16 IV Nr. 4 SozGG),
  • sie unterliegen besonderen Vorschriften nach dem MitbestG,
  • ihr Arbeitsverhältnis kann im Kündigungsschutzprozess auf Antrag des Arbeitgebers gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst werden, wobei der Antrag keiner Begründung bedarf (§ 14 II KSchG).

Im Folgenden sollen die Voraussetzungen für das Vorliegen eines leitenden Angestelltenverhältnisses aufgezeigt werden.

II. Voraussetzungen für das Vorliegen eines leitenden Angestelltenverhältnisses

Es gibt keine allgemein gültige Definition des Begriffs des leitenden Angestellten. Vielmehr ist die Abgrenzung in verschiedenen Gesetzen unterschiedlich. Zunehmend wird jedoch auf die Begriffsbestimmung des leitenden Angestellten in § 5 BetrVG verwiesen und je nach dem Zweck des verweisenden Gesetzes diese Definition gegebenenfalls durch zusätzliche Merkmale entweder eingeschränkt oder erweitert. Es sind daher die Voraussetzungen, die § 5 III BetrVG nennt, zu untersuchen.

1. Voraussetzungen des § 5 III Nr. 1-3 BetrVG

§ 5 III BetrVG nennt drei Gruppen von Merkmalen (Nr. 1-3), wobei nur die Voraussetzungen einer Gruppe erfüllt zu sein brauchen, um die Eigenschaft als leitender Angestellter zu begründen.
  • Nr. 1: Selbständige Einstellungs- und Entlassungsbefugnis
  • Der Angestellte muss zur selbständigen Einstellung oder Entlassung befugt sein. Selbständig heißt, dass der Angestellte nicht an die Zustimmung des Arbeitgebers oder sonstiger über- oder gleichgeordneter Stellen im Unternehmen oder im Betrieb gebunden ist. Die selbständige Befugnis fehlt folglich, wenn ein anderer über solche Maßnahmen mitentscheidet.

    Des Weiteren ist über den Wortlaut des Gesetzes hinaus erforderlich, dass sich die Befugnis auf einen erheblichen Teil der Arbeitnehmer bezieht, mindestens auf eine Arbeitnehmergruppe, auf den Betrieb oder einen Betriebsteil.

  • Nr. 2: Generalvollmacht oder Prokura

    Erforderlich ist neben dem bloßen Bestehen einer Generalvollmacht oder Prokura, dass der Angestellte Aufgaben wahrnimmt, die nicht nur unbedeutend sind. Dies ist der Fall, wenn eine Vergleichbarkeit mit den in Nr.1 und Nr.3 umschriebenen Aufgaben vorliegt.

    Zu beachten ist des Weiteren, dass die nach außen dokumentierten Befugnisse auch im Innenverhältnis zum Arbeitgeber nicht so weit aufgehoben sein dürfen, dass eine erhebliche unternehmerische Entscheidungsbefugnis in Wirklichkeit nicht besteht.

  • Nr. 3: Wahrnehmung sonstiger Aufgaben

    Ein leitendes Angestelltenverhältnis liegt auch dann vor, wenn der Angestellte

    a) regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die
    b) für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebes von Bedeutung sind und
    c) deren Erfüllung besondere Erfahrung voraussetzt, wenn er dabei
    d) entweder die Entscheidung frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst.

    ad a) Der leitende Angestellte muss die Aufgaben regelmäßig wahrnehmen. Nicht ausreichend ist, wenn ihm die Aufgaben nur vorübergehend oder zur Erprobung übertragen wurden.

    ad b) Entscheidend ist, dass es sich um Aufgaben handelt, die der Unternehmensleitung wegen ihrer Tätigkeit und wegen der Bedeutung ihrer Funktion nahe stehen. Diese können sowohl im wirtschaftlichen, technischen, kaufmännischen, organisatorischen, personellen als auch wissenschaftlichen Bereich des Unternehmens liegen.

    ad c) Die Aufgaben müssen besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzen. Eine spezielle Ausbildung wird nicht verlangt. Die erforderlichen Kenntnisse können durch längere praktische Tätigkeit oder im Selbststudium erworben sein.

    ad d) Erforderlich ist, dass der Angestellte anfallende Entscheidungen maßgeblich beeinflusst. Dies ist der Fall, wenn der Angestellte aufgrund seiner Position Fakten schafft, die bei den unternehmens- oder betriebsleitenden Entscheidungen nicht unbeachtet gelassen werden können. Dabei können dem Angestellten auch Vorgaben gemacht werden, auf welche Art und Weise er seine Arbeit zu verrichten hat.

2. Bedeutung des § 5 IV Nr. 1-4 BetrVG

Die Vorschrift des § 5 IV BetrVG enthält Auslegungsregeln, die an formalen, schnell erkennbaren Merkmalen anknüpfen, um bei Zweifeln über das Vorliegen eines leitenden Angestellten nach § 5 III Nr. 3 BetrVG die Feststellung zu erleichtern. Sofern in diesem Fall eines der in Nr. 1-4 genannten Merkmale erfüllt ist gilt der Angestellte als leitender Angestellter.
  • Nr. 1: Zuordnung aus Anlass von Betriebs- und Sprecherausschusswahlen oder gerichtlicher Entscheidung
  • Die Zuordnung zu den leitenden Angestellten kann durch den Wahlvorstand erfolgen. Sind Betriebs- und Sprecherausschusswahlen gleichzeitig eingeleitet worden, entscheidet das Zuordnungsverfahren nach § 18 a BetrVG.

    Hat ein gerichtliches Verfahren über den Status des Angestellten stattgefunden, ist die gerichtliche Entscheidung maßgebend. Gemeint ist aber nur eine Entscheidung im Beschlussverfahren, nicht dagegen eine Inzidententscheidung im Urteilsverfahren, etwa bei Kündigung.

  • Nr. 2: Angehören der Leitungsebene

    Leitender Angestellter ist, wer einer Leitungsebene angehört, auf der in dem Unternehmen überwiegend (mehr als 50 %) leitende Angestellte vertreten sind.

  • Nr. 3: Jahresarbeitsentgelt

    Im Zweifel ist leitender Angestellter, wer ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das in dem Unternehmen für leitende Angestellte üblich ist. Sonderzulagen bleiben unberücksichtigt. Erfolgsbeteiligungen und Tantiemen werden berücksichtigt soweit sie regelmäßig anfallen. Vergleichsmaßstab ist das Jahresarbeitsentgelt im Unternehmen nicht hingegen in der ganzen Branche.

  • Nr. 4: Dreifache Bezugsgröße

    Soweit nach Anwendung der Nr. 3 noch Zweifel bestehen, ist leitender Angestellter, wer ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das das dreifache der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV überschreitet. Bezugsgröße nach dieser Vorschrift ist das Durchschnittsentgelt der gesetzlichen Rentenversicherung im vorvergangenen Kalenderjahr, aufgerundet auf den nächst höheren durch 420 teilbaren Betrag.

    (Rechtsanwalt Günther Dingeldein, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bickenbach)

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.



 
     
   
www.dingeldein.de -