Arbeitsrecht

"Arbeitsrecht für Jedermann"

I. Abmahnung

1. Definition und rechtliche Bedeutung

Die Abmahnung ist der Ausdruck der Missbilligung eines Verhaltens unter Androhung der Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sofern das Verhalten nicht geändert wird. Mit der Abmahnung soll der Arbeitnehmer an seine vertraglichen Pflichten erinnert und vor Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis bei weiterem Fehlverhalten gewarnt werden.

2. Formalien

a) kein Schriftformerfordernis

b) abmahnungsberechtigt sind alle Personen, die nach ihrer Aufgabenstellung befugt sind Anweisung wegen des Orts, der Zeit sowie der Art und Weise der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung zu erteilen

c) Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers nur ausnahmsweise erforderlich, wenn durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung geregelt (z. B. früher in § 13 BAT)

d) Anhörung oder sonstige Beteiligung des Betriebsrates nur dann erforderlich, wenn durch Betriebsvereinbarung geregelt

e) keine Fristenregelung, insbesondere keine Geltung tarifvertraglicher Ausschlussfristen

f) Arbeitgeber muss im Zweifel beweisen, dass der Arbeitnehmer die Abmahnung erhalten hat

g) zeitliche Begrenzung

Faustformel: Abmahnung verliert nach zwei Jahren beanstandungsfreier Tätigkeit ihr Wirkung

3. Inhalt der Abmahnung

a) konkrete Vorhaltungen, keine Pauschalaussagen wie zum Beispiel "Sie kommen ständig zu spät" oder "Sie haben mehrfach die Anzeigepflicht bei Krankheit verletzt". b) Androhung weiterer Konsequenzen für den Fall der Wiederholung des gerügten Verhaltens muss unbedingt enthalten sein.

4. Rechtsschutz

a) Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte

Achtung! In der Regel hohes Risiko, Arbeitsverhältnis im Bestand zu gefährden; bei erkennbarer Unwirksamkeit der Abmahnung (z. B. keine Konsequenz für den Wiederholungsfall angedroht) kann Klage auf Beseitigung schwerer taktischer Fehler sein, für den Rechtsanwalt sogar "Kunstfehler" mit der Folge der Haftung für finanzieller Schäden

b) eigene Stellungnahme zur Abmahnung

Vorteile gegenüber der Klage:

- Stellungnahme des Arbeitnehmers ist mit der Abmahnung in Personalakte aufzunehmen;

- keine weitere Belastung des Arbeitsverhältnisses durch gerichtliche Auseinandersetzung



5. Checklisten

Checkliste 1    Checkliste 2    Checkliste 3    Checkliste 4

II. Verhaltensbedingte Kündigung

1. Verhalten des Arbeitnehmers

Verhalten ist jedes vom Willen gesteuerte Handeln.

Ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund kann nur vorliegen, wenn eine Störung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitnehmer durch ein willensgesteuertes Verhalten herbeigeführt wird.

Im Unterschied dazu liegen personenbedingte Gründe vor, wenn ein vom Arbeitgeber beanstandeter Umstand auf einem vom Arbeitnehmer nicht steuerbaren Verhalten beruht (z. B. Krankheit).

Arten der verhaltensbedingten Kündigungsgründe:

- Pflichtwidrigkeiten im Leistungsbereich (z. B. Schlechtleistung)

- Verstöße gegen betriebliche Ordnung (z. B. Verstoß gegen Rauch- oder Alkoholverbot)

- Störungen im persönlichen Vertrauensbereich (z. B. Schmiergeldannahme)

- Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten (z. b. Verstöße gegen Geheimhaltungspflicht)



2. Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses

Verhaltensbedingte Kündigungsgründe können nur vorliegen, wenn eine Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses gegeben ist. Das ist in der Regel bei der Verletzung von Haupt- oder Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag anzunehmen.

Außerdienstliches Verhalten ist grundsätzlich nicht Kündigungsrelevant, sondern nur dann, wenn sich das außerdienstliche Verhalten auf das Arbeitsverhältnis auswirkt.

3. Negative Prognose

Nach der Rechtssprechung ist die verhaltensbedingte Kündigung zukunftsgerichtet und soll nicht eine Bestrafung für ein bestimmtes Fehlverhalten sein.

Die Umstände des Falles müssen die Prognose zulassen, dass auch im Zeitpunkt der Kündigung mit einer Fortsetzung der Vertragsverletzungen durch den Arbeitnehmer gerechnet werden muss.

Auch bei verhaltensbedingter Kündigung ist eine negative Prognose erforderlich; bei krassen Verfehlungen wird diese von der Rechtssprechung als gegeben angesehen; aus einer beharrlichen Arbeitsverweigerung kann ohne weiteres abgeleitet werden, dass der Arbeitnehmer ein gleichartiges Fehlverhalten auch in Zukunft zeigen wird.

4. Verschulden

Grundsätzlich kann nur schuldhaftes Verhalten eine Kündigung rechtfertigen. Verschulden in diesem Zusammenhang bedeutet Vorsatz oder Fahrlässigkeit.

In der Regel wird bei fehlendem Verschulden eine verhaltensbedingte Kündigung nicht in Betracht kommen.

5. Abmahnung

Bei der verhaltensbedingten Kündigung gilt der Grundsatz, dass eine einschlägige Abmahnung notwendige Voraussetzung ist für eine sozialgerechtfertigte Kündigung.

Auf die Anzahl der Abmahnungen kommt es nicht an. Je nach schwere des Vertragsverstoßes kann auch nach einer Abmahnung im Wiederholungsfall eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt sein.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass der abgemahnte Sachverhalt und der Kündigungssachverhalt vergleichbar sind; das Fehlverhalten des Arbeitnehmers muss also denselben Pflichtenkreis entstammen (eine Abmahnung wegen Zuspätkommens ist nicht als einschlägige Abmahnung anzusehen, wenn dem Mitarbeiter wegen der Beleidigung eines Arbeitskollegen gekündigt werden soll.

6. Fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten

Die Kündigung ist das schärfste Mittel des Vertragsrechts. Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz darf hierzu erst dann gegriffen werden, wenn mildere, für den Arbeitnehmer weniger einschneidende, Maßnahmen nicht mehr in Betracht kommen.

Vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung ist also zu prüfen, ob objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Arbeitnehmer bei einem Einsatz auf einem anderen Arbeitsplatz das beanstandete Verhalten nicht fortsetzen wird. Diese Prüfung ist nur dann erforderlich, wenn das gerügte Fehlverhalten in erkennbarem Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz steht (z. B. Fehlverhalten aufgrund von Meinungsverschiedenheiten mit Arbeitskollegen oder Vorgesetzten).

7. Interessenabwägung

Nach der Rechtsprechung unterliegt jede verhaltensbedingte Kündigung einer Einzelfallentscheidung des Gerichts unter Einbeziehung aller Umstände des zu beurteilenden Falles. Hierbei sind das Interesse des Arbeitgebers an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt des Arbeitsplatzes abzuwägen.

Bei der Interessenabwägung sind folgende Kriterien zu gewichten:

Auf Seiten des Arbeitnehmers:

- Art, Schwere und Häufigkeit des Fehlverhaltens,
- früheres Verhalten,
- Mitverschulden des Arbeitgebers,
- Dauer der Betriebszugehörigkeit,
- Lebensalter,
- Unterhaltspflichten,
- Arbeitsmarkchancen,
- Grad des Verschuldens.
- zusammenfassender Betrachtung gleichartiger Pflichtverstöße,
- besondere soziale Schutzbedürftigkeit.



Auf Seiten des Arbeitgebers:

- Störungen im Betriebsablauf,
- Einfluss des Verhaltens auf die allgemeine Arbeitsdisziplin,
- Vermögensschaden,
- Wiederholungsgefahr,
- Schaden im betrieblichen Ansehen,
- Schutz der Belegschaft.



8. Darlegungs- und Beweislast

Der Arbeitgeber hat alle Tatsachen zu beweisen, die aus seiner Sicht die ausgesprochene Kündigung bedingen.

Der Arbeitgeber hat demnach im Einzelnen darzulegen, welche Pflichtverletzung die ordentliche Kündigung stützt und inwieweit den Arbeitnehmer hieran ein Verschulden trifft. Schlagwortartige Angaben reichen nicht aus. Die prozessuale Darlegung muss so konkret wie irgend möglich erfolgen unter Angabe des Ortes, der Zeit und der beteiligten Personen.

Der Arbeitgeber hat darüber hinaus darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zuvor abgemahnt worden ist. Er muss sowohl den Zugang der Abmahnung als auch deren inhaltliche Richtigkeit beweisen. Selbst wenn der Arbeitnehmer sich in der Vergangenheit gegen eine Abmahnung nicht gewehrt hat, muss der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess dennoch die Richtigkeit der in der Abmahnung enthaltenen Vorwürfe beweisen.

9. Betriebsratsanhörung

Grundsatz: Eine nichtordnungsgemäß im Sinne von § 102 Betriebsverfassungsgesetz durchgeführte Anhörung des Betriebsrates führt nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes direkt zur Unwirksamkeit der Kündigung. Notwendiger Bestandteil der Betriebsratsanhörung sind bei einer verhaltensbedingten Kündigung folgende Umstände:

- Personalien des Arbeitnehmers
- Geburtsdatum
- Familienstand
- Anzahl und ggf. Alter der Kinder
- Dauer der Betriebszugehörigkeit
- Art der derzeitigen Beschäftigung
- ggf. andere frühere Beschäftigungen



besondere Umstände, z. B.:

- Schwerbehinderteneigenschaft
- Schwangerschaft
- Erziehungsurlaub/Elternzeit
- Mitgliedschaft im Betriebsrat, in der Schwerbehindertenvertretung, im Sprecherausschuss oder in der Jugendvertretung, Wahlbewerber zu einem dieser Gremien
- Kündigungsart
- Kündigungsfrist
- Kündigungszeitpunkt
- relevante Kündigungsgründe



besondere Angaben bei der verhaltensbedingten Kündigung:

- Art der Pflichtverletzung
- Datum der Pflichtverletzung
- Ort der Pflichtverletzung
- Zeugen und andere Beweismittel
- Erteilung und Zugang einer vorherigen Abmahnung
- Datum und Grund der Abmahnung
- ggf. Gegendarstellung zur Abmahnung
- ggf. Ergebnis von Nachforschungen des Arbeitgebers
- Angaben zu Interessenabwägung (z. B. bei Kündigung wegen Zuspätkommens Darstellung der Betriebsablaufstörungen)



III. Personenbedingte Kündigung

1. krankheitsbedingte Kündigung

Hauptanwendungsfall der personenbedingten Kündigung ist die sog. "krankheitsbedingte Kündigung". Die Erkrankung als solche kann jedoch niemals eine Kündigung begründen, d.h. allein mit dem Hinweis auf eine aktuelle oder frühere Krankheit kann der Arbeitgeber eine Kündigung sozial nicht rechtfertigen. Es kann niemand wegen Krankheit entlassen werden, wenn er trotz Krankheit die geschuldete Leistung störungsfrei erbringt. Kündigungsgrund bei der krankheitsbedingten Kündigung ist die Nicht– oder Schlechterfüllung der vertraglich geschuldeten Leistung sowie die dadurch verursachte erhebliche Beeinträchtigung in der betrieblichen und wirtschaftlichen Belange des Arbeitgebers. Die Erkrankung des Arbeitnehmers spielt lediglich insoweit eine Rolle, als sie Ursache der betriebsstörenden Nichtbesetzung des Arbeitsplatzes ist und gegebenenfalls Daten für die notwendige Prognose für die Zukunft liefert. Entgegen verbreiteter Ansicht ist die Krankheit allerdings auch kein Kündigungshindernis. Eine Kündigung ist deshalb weder allein deswegen unwirksam, weil sie während einer Erkrankung ausgesprochen wird noch hindert eine Erkrankung des Arbeitnehmers den Ablauf der Kündigungsfrist.

Die Überprüfung einer krankheitsbedingten Kündigung hat in drei Stufen zu erfolgen:

(1) Zunächst bedarf es seiner negativen Prognose hinsichtlich des weiteren Gesundheitszustandes des zu kündigenden Arbeitnehmers.

(2) Im Anschluss daran ist zu prüfen, ob die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen.

(3)In der dritten Stufe wird nach Maßgabe eine einzelfallbezogene Interessenabwägung geprüft, ob die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinnehmbaren betrieblichen und wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen.

Erst bei Vorliegen dieser drei Voraussetzungen ist eine Kündigung aus personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt.

(1) Voraussetzung ist zunächst eine negative Gesundheitsprognose. Denn eine Kündigung stellt keine Sanktion für vergangenheitsbezogenes Fehlverhalten dar, sie ist vielmehr ein Instrument, um der betriebswirtschaftlich unvertretbaren Besetzung von Arbeitsplätzen für die Zukunft zu begegnen. Der Arbeitnehmer muss also voraussichtlich zukünftig Fehlzeiten in Folge Krankheit in so großem Umfang aufweisen, dass diese zu erheblichen und deshalb dem Arbeitgeber letztlich nicht zumutbaren betrieblichen und wirtschaftlichen Störungen führen würde. Eine negative Gesundheitsprognose liegt dann vor, wenn zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung aufgrund objektiver Tatsachen damit zu rechnen ist, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft seinen Arbeitsplatz krankheitsbedingt in erheblichem Umfang fernbleiben wird. Für die Prognose spielen die bisherigen objektiv feststellbaren Krankheitszeiten eine mittelbare Rolle.

Bei häufigen Kurzerkrankungen können auch vergangenheitsbezogene Fehlzeiten eine negative Zukunftsprognose begründen. Andererseits können weder Betriebsunfälle noch einmalige ursachenberuhende krankheitsbedingte Fehlzeiten eine negative Zukunftsprognose begründen. Daher besteht keine Wiederholungsgefahr bei ausgeheilten Leiden bei Unfällen, soweit es sich um einmalige Ereignisse handelt und sonstigen offenkundigen einmaligen Gesundheitsschäden.

Bei lang andauernden Erkrankungen ist dies regelmäßig ein erstes Indiz dafür, dass diese Erkrankung noch länger andauert. Darüber hinaus müssen im Zeitpunkt der Kündigung jedoch noch weitere objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass mit einer Wiederherstellung bis zur Arbeitsfähigkeit in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist, weil die Dauer einer Erkrankung in der Vergangenheit objektiv nichts darüber aussagt, inwieweit sie sich auch in Zukunft länger fortsetzen wird.

Es ist nicht stets erforderlich, die Sechs-Wochen-Frist des ESZG vor dem Ausspruch einer Kündigung abzuwarten. Die negative Zukunftsprognose ist auch dann begründet, wenn der Arbeitnehmer zwar erst seit kurzer Zeit erkrankt ist, die konkreten Umstände jedoch die Prognose einer langen andauernden Erkrankung bereits rechtfertigen.

Der Arbeitnehmer kann eine negative Gesundheitsprognose des Arbeitgebers dadurch entkräften, dass er darlegt, aufgrund welcher Umstände mit einer alsbaldigen Genesung und der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist.

(2) Eine erhebliche Beeinträchtigung der unternehmerischen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers liegt dann vor, wenn die häufige Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers zu nicht vermeidbaren konkreten Störungen des Betriebsablaufs führt oder sonstige mit zusätzlichen Kosten verbundene Maßnahmen zur Überbrückung des Produktionsausfalls verursacht werden.

Betriebsablaufstörungen sind dann als Kündigungsgrund geeignet, wenn es sich um schwerwiegende Störungen im Produktionsprozess handelt, die nicht durch mögliche Überbrückungsmaßnahmen vermieden werden können. Die Ausfallzeiten des Arbeitnehmers können dann zu Störungen im Produktionsprozess führen, zum Beispiel zum Stillstand von Maschinen, dem Rückgang der Produktion wegen kurzfristig eingesetzter erst einzuarbeitender oder auch wegen nicht beschaffbaren Ersatzpersonal Überlastung des verbliebenen Personals oder dem Abzug von an sich benötigten Arbeitskräften aus anderen Arbeitsbereichen.

Zu beachten ist, dass es sich um schwerwiegende Störungen handeln muss. Dabei ist von Bedeutung die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb. Nicht schwerwiegende Störung liegt dann vor, wenn es zum Beispiel zu gelegentlichen Überstunden von Mitarbeitern kommt.

Bei einer Kündigung wegen Krankheit muss der Arbeitgeber im Einzelnen vortragen, in welcher Weise er den Ausfall bisher überwunden hat und warum die bisherigen Maßnahmen nicht fortgesetzt werden können. Pauschale Behauptungen genügen dabei nicht.

Das BAG vertritt die Auffassung, dass bereits allein die außergewöhnlich hohe Kostenbelastung des Arbeitgebers als erhebliche Belastung unter Umständen angesehen werden kann. Denn wenn das Arbeitsverhältnis auf Dauer erheblich gestört ist, weil immer neue beträchtliche Fehlzeiten und entsprechende Entgeltfortzahlungskosten zu rechnen sind, kann eine Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Die Höhe der kündigungsrechtlich relevanten Entgeltfortzahlungskosten wird so ermittelt, dass zuerst die für die Fehlzeitenprognose unerheblichen vergangenheitsbezogenen Fehlzeiten hinsichtlich derer keine Wiederholungsgefahr besteht, ausgeklammert werden. Sodann werden für die prognoserelevanten Fehlzeiten die für sechs Wochen jährlich anfallenden Entgeltfortzahlungskosten berechnet. Dabei ist auch die Ermittlung eines jährlichen Durchschnittswertes zulässig. Die Summe der auf die prognoserelevanten Fehlzeiten bis zu sechs Wochen pro Jahr anfallenden Entgeltfortzahlungskosten wird als die vom Arbeitgeber hinzunehmende Mindestgrenze verstanden. Erheblich ist die wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers dann, wenn für den erkrankten Arbeitnehmer jährlich Entgeltfortzahlungskosten für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen aufzuwenden sind.

Zu berücksichtigen sind auch tarifliche Entgeltfortzahlungsleistungen, insbesondere ein Anspruch des Arbeitnehmers nach sechs Wochen die Differenz zwischen dem Krankengeld und seinem bisherigen Arbeitsentgelt zu erhalten.

Führen die zu erwartenden Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen, ist zu prüfen, ob der Arbeitnehmer nicht auf einem freien Arbeitsplatz untergebracht werden kann, auf dem keine betrieblichen Beeinträchtigungen mehr zu erwarten sind. Wenn eine Umsetzungsmöglichkeit besteht, führt die Krankheit nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen.

(3) Für die abschließend durchzuführende Interessenabwägung gilt nach der ständigen Rechtsprechung des BAG, dass die krankheitsbedingte Kündigung wie auch die personenbedingte Kündigung im Übrigen nur dann sozial gerechtfertigt ist, wenn sie im Einzelfall nach Maßgabe einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles aufgrund der prognostizierten Belastung eine unzumutbare betriebliche oder wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers ergibt. Es ist daher zu prüfen, ob die betriebliche Beeinträchtigung aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles vom Arbeitgeber billigerweise noch hinzunehmen sind oder ihn überfordern. Dabei gibt es keine generellen Maßstäbe zur Ermittlung der zeitlichen, betrieblichen und wirtschaftlichen Umstände, die der Arbeitgeber noch hinzunehmen hat. Es kommt dabei auf die Umstände des Einzelfalles an.

Zum Teil wird vertreten bei der personenbedingten Kündigung im Rahmen der Interessenabwägung wegen des nicht schuldhaft herbeigeführten personenbedingten Kündigungsgrundes und der besonderen Schutzbedürftigkeit des erkrankten Arbeitnehmers ein besonders strenger Maßstab zugrunde zu legen.

Bei der Interessenabwägung ist somit zu beachten, dass alle wesentlichen Umstände des Einzelfalles berücksichtigt werden und dass die Interessenabwägung vollständig ist und keine Widersprüche aufweist. Zugunsten des Arbeitnehmers muss z.B. berücksichtigt werden, wenn die Erkrankung auf betriebliche Ursachen zurückzuführen ist. Beruhen Erkrankungen des Arbeitnehmers dagegen auf seinem Verschulden oder auf ungewöhnlicher außerdienstlicher Beanspruchung (z.B. auf Nebentätigkeiten oder Überschreitung der Höchstarbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz oder auf übermäßiger sportlicher Betätigung), so ist dies zu seinen Lasten zu berücksichtigen.

- Auch die Schwerbehinderteneigenschaft ist eine der wesentlichen Umstände, die bei der Interessenabwägung zu beachten ist.

- Weiter spielt die Dauer des ungestörten Verlaufs des Arbeitsverhältnisses eine Rolle. Je länger das Arbeitsverhältnis ungestört, d.h. ohne krankheitsbedingte Fehlzeiten in der Vergangenheit dauert, desto mehr Rücksichtnahme schuldet der Arbeitgeber.

- Weiter muss bei älteren Arbeitnehmern mit mehr Fehlzeiten gerechnet werden als bei jüngeren Arbeitnehmern.

- Weiterhin muss berücksichtigt werden, dass je mehr Unterhaltspflichten dem Arbeitnehmer obliegen, um so höherer Sozialschutz kommt ihm zugute. Der Arbeitgeber schuldet dem Arbeitnehmer mehr Rücksichtnahme, je länger das Arbeitsverhältnis ungestört, d.h. ohne krankheitsbedingte Fehlzeiten in der Vergangenheit dauerte.

Diese dargestellten Kriterien sind jedoch nicht abschließend, sondern nur beispielhaft. Wie bereits dargelegt, müssen in jedem Fall bei der Interessenabwägung die Umstände des Einzelfalles zugrunde gelegt werden.

Für die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung der ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers ist der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung maßgebend. Grundsätzlich ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig. Er muss also darlegen, dass der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Kündigung akut nicht in der Lage ist, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen. Sodann muss er darlegen, dass dieser Zustand auf Dauer anhalten wird.

IV. betriebsbedingte Kündigung

Die betriebsbedingte Kündigung eröffnet dem Arbeitgeber die Möglichkeit dem Personalbestand einen verringerten Personalbedarf anzupassen.

Eine betriebsbedingte Kündigung ist gerechtfertigt, wenn eine unternehmerische Entscheidung vorliegt durch die aufgrund inner- oder außerbetrieblicher Ursachen eine veränderte Arbeitsmenge im Betrieb erledigt wird und die Kündigung dringlich also durch andere Maßnahmen nicht ersetzt werden kann.

Der Arbeitgeber hat also erstens darzulegen aufgrund welcher Umstände er sich zu einer bestimmten unternehmerischen Handlung veranlasst sieht, die zu einer Verringerung des Beschäftigungsbedarfs führt.

Zweitens ist zu prüfen, ob die betrieblichen Erfordernisse dringend sind und die Kündigung bedingen. Dieses ist insbesondere dann nicht der Fall wenn der Rückgang des Beschäftigungsbedarf anderweitig aufgefangen werden kann, entweder durch betriebsorganisatorische Maßnahmen oder durch eine anderweitige Beschäftigung des andernfalls zu kündigenden Arbeitnehmers.

Steht danach fest, dass für einen oder mehrere Arbeitnehmer zukünftig von einem verringerten Beschäftigungsbedarf auszugehen ist, muss auf die entsprechende Rüge des Arbeitnehmers drittens geprüft werden, ob der Arbeitgeber die Kündigung zwischen den vergleichbaren Arbeitnehmern dem sozial am wenigsten schutzwürdigen Arbeitnehmers gegenüber ausgesprochen hat (Sozialauswahl).

1. Unternehmerische Entscheidung

Erste Vorrausetzung einer betriebsbedingten Kündigung ist die unternehmerische Entscheidung mit der einem veränderten Arbeitbedarf Rechnung getragen wird. Unter unternehmerische Entscheidung ist nicht die Kündigung als solche zu verstehen, sondern das unternehmerische Konzept zur Angleichung des Personals an den veränderten Arbeitsbedarf. Es sind die technischen oder organisatorischen Maßnahmen die der Arbeitgeber trifft um die Strukturen des Betriebs den Betriebsablauf oder das Produktionsziel zu verändern.

Unternehmerische Entscheidungen unterliegen nach der Rechtssprechung des BAG einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Nicht der Kontrolle des Arbeitsgerichts unterliegt die Zweckmäßigkeit der unternehmerischen Entscheidung. Das Arbeitsgericht darf also die der Kündigung vorgelagerten Entscheidungen über die Geschäftspolitik nicht darauf hin überprüfen, ob sie notwendig sinnvoll oder zweckmäßig ist, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Weiter überprüft das Arbeitsgericht, ob eine bestimmte eingeführte Maßnahme die Kündigung bedingt, also ob die durch die veränderten Marktdaten ausgelöste unternehmerische Entscheidung die Kündigung bedingt. Im Ergebnis wird daher die unternehmerische Entscheidung nur dann überprüft werden können, wenn ein einzelner Arbeitnehmer aus sachwidrigen Gründen aus dem Betrieb entfernt werden soll.

Es findet damit eine sogenannten Rechtsmissbrauchskontrolle statt.

2. Betriebliche Gründe

Betriebliche Gründe zur Kündigung können sich aus innerbetrieblichen Umständen oder durch außerbetriebliche Gründe ergeben.

Die innerbetrieblichen Ursachen fallen regelmäßig mit der unternehmerischen Entscheidung zusammen. Grundsätzlich werden darunter aller betrieblichen Maßnahmen auf technischen, organisatorischen oder wirtschaftlichen Gebiet erfasst durch die der Arbeitgeber seine Entscheidung über die der Geschäftsführung zugrundeliegenden Unternehmenspolitik im Hinblick auf den Markt oder die Organisation des Betriebs verwirklicht und die sich auf dem Beschäftigungsbedarf im Betrieb auswirken.

Hierzu gehören z. B Rationalisierungsmaßnahmen, Änderungen der Arbeits- oder Produktionsmethoden, Betriebseinschränkung oder Stillegung, Vergabe von Arbeiten an ein anderes Unternehmen, Umstellung der Vertriebsstruktur und die Erschaffung betrieblicher Hierarchien.

Vom Gericht ist nachzuprüfen, ob eine solche unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt und ob durch ihre Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist.

Unter außerbetrieblichen Ursachen sind von der Betriebsgestaltung und von der Betriebsführung unabhängige Umstände zu verstehen, die einen konkreten Bezug zum Betrieb aufweisen und sich auf die Arbeitsverhältnisse auswirken, wie z.B. Auftrags- oder Umsatzrückgang, Rohstoff oder Energiemangel, Streichung von Drittmitteln, Stellenstreichung im Haushalt.

Die Begründung einer betriebsbedingten Kündigung mit außerbetrieblichen Gründen bindet den Arbeitgeber das Personal nur insoweit abzubauen wie es der vorgegebene Zweck erfordert.

In einem Kündigungsschutzprozess trifft den Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für die inner- und außerbetrieblichen Ursachen. Er darf sich nicht auf eine schlagwortartige Umschreibung beschränken. Er muss vielmehr seine tatsächlichen Angaben im einzelnen so darlegen, dass sie vom Arbeitnehmer mit Gegentatsachen bestritten und vom Gericht nachgeprüft werden können. Es hat also eine genaue Schilderung der unternehmerischen Entscheidung zu erfolgen.

3. Wegfall des Arbeitsplatzes

Die internen oder externen Ursachen müssen zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit führen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein bestimmter Arbeitsplatz weggefallen ist, sondern allein der Bedarf für einen Arbeitnehmer nicht mehr besteht.

Ob dies der Fall ist, urteilt sich nach folgenden Gesichtspunkten:

- eine Kündigung ist dann gerechtfertigt, wenn eine hinreichende Auftragsmenge nicht mehr zur Verfügung steht. Der Arbeitgeber ist frei, ob und wie viele Aufträge er zur Erledigung übernimmt. Überprüft wird dagegen, ob die Auftragsmenge ausreicht eine bestimmte Zahl von Arbeitnehmern zu beschäftigen. Insoweit besteht eine Relation zu der Auftragsmenge und der im Betrieb zulässigen Arbeitszeit (sogenannten Vertragsfaktoren). Die erforderliche Arbeitsmenge kann nur im Zusammenhang mit der Arbeitszeit beurteilt werden. Für die Darstellung der Vertragsfaktoren ist von drei Determinanten auszugehen:

(a) Die Ermittlung der Vertragsmenge oder Beschäftigungsmöglichkeit erfolgt nach dem Arbeitsvertragsinhalt. Nur im Umfang der vom Arbeitgeber vorgegeben Ziele bestehen Beschäftigungsmöglichkeiten für den einzelnen Arbeitnehmer. Hieraus folgt, werden z. B. die Drittmittel mit denen eine Musikschule finanziert wird gestrichen, so wird hierdurch die Beschäftigungsmöglichkeit nicht herabgesetzt. Wird der Musikunterricht unverändert aufrechterhalten, so bleibt der Arbeitskräftebedarf und die Beschäftigungsmöglichkeit gleich.

(b) Ob eine Beschäftigungsmöglichkeit entfallen ist, richtet sich nach dem vorhandenen Arbeitsvolumen. Im allgemeinen lässt sich ein Betrieb nicht so organisieren, dass die Arbeitsdichte über einen größeren Zeitraum konstant bleibt. Gleichwohl lässt sich auch insoweit eine Verbindung zwischen Unternehmerentscheidung und Arbeitsdichte herstellen.

(c) Der Umfang der Beschäftigungsmöglichkeit hängt schließlich von den sogenannten Drittbeziehungen ab. Diese können Beziehungen zu Lieferanten und Kunden sein.

- Der Arbeitgeber muss die Auftragsmenge mit einer bestimmten betrieblichen Organisation mit bestimmten Produktionsmitteln erledigen (Betriebsfaktoren). Betriebsfaktoren können die technische oder rechtliche Ausgestaltung eines Betriebs sein.

Im allgemeinen werden für einen Betrieb durch Gesetz oder Tarifvertrag die Arbeitszeiten vorgegeben. Ist für die Verrichtung einer Tätigkeit eine bestimmte Arbeitszeit notwendig so unterliegen die Betriebsfaktoren keinen Änderungen, wenn die Tätigkeit gleich bleibt. In diesem Zusammenhang spielt das besondere Problem der Kurzarbeit eine Rolle. Kurzarbeit ist nur bei einem vorübergehenden Arbeitsmangel angesagt. Liegt auf Dauer ein Arbeitsmangel vor, so ist die Einführung von Kurzarbeit im Rahmen der untermehrerischen Entscheidung nicht angezeigt.

4. Umsetzung der Unternehmerentscheidung

Die Unternehmerentscheidung der Personalanpassung an die Beschäftigungsmöglichkeit kann in verschiedenen Formen erfolgen.

Der Unternehmer kann zum einen gestaltend tätig werden. Er kann das "was", das "wie viel" und das "wie" seiner Produktion ändern. Typischer Fall einer gestaltenden Unternehmerentscheidung ist die völlige oder teilweise Betriebsstilllegung. Bei einer Betriebsstilllegung lässt sich genau nachvollziehen, welche Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen. Eine gestaltenden Unternehmerentscheidung liegt auch dann vor, wenn der Unternehmer den Stellenplan ändert.

Bei einer gestaltenden Unternehmerentscheidung hat der Unternehmer im allgemeinen im Prozess darzulegen und zu beweisen, ob und welchen unternehmerischen Entschluss er gefasst hat, ob und wie er den Entschluss umgesetzt hat, wie sich die Umsetzung unter Berücksichtigung der Vertrags- und Betriebsfaktoren auf die Beschäftigungsmöglichkeit auswirkt, und das nur solche Arbeitnehmer in die betriebliche Auswahl einbezogen worden sind, die an die wegfallende Beschäftigungsmöglichkeit gebunden waren.

Zum anderen kann der Unternehmer eine selbstbindende Unternehmerentscheidung treffen. Bei dieser macht der Unternehmer geltend, dass Sachzwänge des Marktes zum Wegfall eines Arbeitsplatzes geführt hätten. Er hat daher im Kündigungsschutzprozess darzulegen und zu beweisen, dass die außerbetrieblichen Ursachen tatsächlich im dem behaupteten Umfang vorliegen, das die Gründen unter Beachtung von Vertrags- und Betriebsfaktoren sich unmittelbar auf die Beschäftigungsmöglichkeiten auswirken und das nur solche Arbeitnehmer in die betriebliche Auswahl einbezogen worden sind, die arbeitsvertraglich an die weggefallenden Beschäftigungsmöglichkeiten gebunden sind.

5. Dringlichkeit des betrieblichen Erfordernisses

Vorrausetzung ist das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse. Die betrieblichen Erfordernisse müssen dringend sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebs notwendig machen. Diese Vorraussetzung ist erfüllt, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist die betriebliche Lage durch andere Maßnahmen auf technischen, organisatorischem oder wirtschaftlichen Gebiet als sich eine Kündigung zu entsprechen. Dabei sind nur solche Mittel bei der Erforderlichkeitsprüfung zu berücksichtigen die gleich wirksam sind um das unternehmerische Ziel zu erreichen. Die Kündigung muss wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein. Entlassungen sollen also vorrangig durch betriebliche Maßnahmen vermeiden werden. Diese Bestimmungen folgt wiederum aus dem ultima Ratio Prinzip.

Ein dringendes betriebliches Erfordernisse fehlt z.B. wenn der Arbeitnehmer auf einen anderen freien gleichwertigen Arbeitsplatz im Betrieb versetzt werden kann. Zu beachten ist, dass frei in diesem Sinne auch Arbeitsplatze sind bei denen im Zeitpunkt der Kündigung bereits feststeht, dass sie in absehbarere Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist frei werden, sofern die Überbrückung des Zeitraums dem Arbeitgeber zumutbar ist. Beschränkt sich jedoch der Arbeitgeber im Prozess des bisherigen Arbeitsplatzes zu bestreiten so braucht der Arbeitgeber die Versetzungsmöglichkeit nicht darzulegen. Erst wenn sich der Arbeitnehmer auf die Versetzungsmöglichkeit beruft und er im Einzelnen darlegt wie er sich seine weitere Tätigkeit vorstellt hat der Arbeitgeber darzulegen und nachzuweisen, dass insofern eine Beschäftigungsmöglichkeit besteht. Hier wird der Grundsatz deutlich das die Änderungskündigung Vorrang gegenüber der Beendigungskündigung hat.

6. Interessenabwägung

Wie auch bei der personen- oder verhaltensbedingten Kündigung findet bei der betriebsbedingten Kündigung eine Interessenabwägung statt.

Die Kündigung ist dann berechtigt, wenn nach einem objektiven Maßstab nach Abwägung der Interessen beider Parteien die Kündigung billigenswert und angemessen ist. Die Kündigungsgründe müssen so gewichtig sein das sie einen ruhig und verständigen Arbeitgeber zur Kündigung veranlassen würden.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit findet bei der betriebsbedingten Kündigung seine Ausprägung in dem Tatbestandsmerkmal " Dringlichkeit des betrieblichen Erfordernisses".

Auch bei der betriebsbedingten Kündigung ist für die Beurteilung für die Kündigungsgründe auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung abzustellen.

7. Einzelfälle zu den außerbetrieblichen Ursachen:

- bei Absatzschwierigkeiten kann grundsätzlich auf Vorrat gearbeitet werden, die Werbung gesteigert oder Personal abgebaut werden. Zur Feststellung des betrieblichen Erfordernisses ist zu überprüfen ob eine unternehmerische Entscheidung vorliegt und ob die Absatzschwierigkeiten zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeiten führen.

- bei Auftragsmangel liegt eine Diskrepanz zwischen der vorhandenen Auftragsmenge und der betrieblichen Kapazität in betrieblicher und personaler Hinsicht vor. Diesen Auftragsmangel kann der Auftraggeber durch Kurzarbeit, Vorratswirtschaft oder Entlassung von Personal Rechnung tragen. Für die unternehmerische Entscheidung besteht Entscheidungsfreiheit. Ein betriebliches Erfordernis ist jedoch nur dann gegeben, wenn im Einzelnen dargelegt wird, das sich die verkürzte Arbeitsdecke auf die Arbeitsplätze auswirkt.

- bei Lohneinsparungen kann die unternehmerischen Entscheidung Personalkosten einzusparen einen Kündigung nicht bedingen.

- Umsatzrückgang ist ein betriebliches Erfordernis wenn der Personalbestand dem Umsatz angepasst wird. Es muss eine unternehmerische Entscheidung vorliegen aufgrund deren die betrieblichen Organisationen dem verminderten Umsatz angepasst wird.

8. Einzelfälle zu innerbetrieblichen Ursachen:

- die Betriebstillegung ist die Auflösung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft die ihrer Veranlassung und Ausdruck darin findet das der Unternehmer die bis dahin wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt die Weiterverfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine unbestimmte nicht unerhebliche Zeit einzustellen. Dies Betriebsstilllegung kann ein betriebliches Erfordernis zur Kündigung sein.

- bei Rationalisierungsmaßnahmen handelt es sich um einen Oberbegriff bei der nähere Erläuterung bedarf. Beispiel ist die Einführung arbeitsparender Maschinen. Kennzeichnend ist das mit gleichem Aufwand ein größeres Ergebnis oder mit geringeren Aufwand ein gleiches Ergebnis erzielt werden soll. Ein betriebliches Erfordernis kann vorliegen bei einer unternehmerischen Entscheidung der Durchführung der Rationalisierungsmaßnahmen und den Auswirkungen auf die Arbeitsplätze.

9. Soziale Auswahl bei betriebsbedingter Kündigung

Eine betriebsbedingte Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt hat.

Die soziale Auswahl wird in drei Abschnitten überprüft:

(1)
Zunächst ist festzustellen welche Arbeitnehmer in die soziale Auswahl einzubeziehen sind;

(2)
welche Sozialdaten bei der Auswahl zu berücksichtigen sind und wie sie gewichtet werden;

(3)
welche Arbeitnehmer aus betriebstechnischen, wirtschaftlichen oder sonstigen berechtigten betrieblichen Bedürfnissen für den Betrieb notwendig sind.

Arbeitnehmerkreis

Die Sozialauswahl ist zunächst auf alle vergleichbaren Arbeitnehmer des gesamten Betriebes zu erstrecken und zwar unabhängig von dessen Größe, Lage und innerer Struktur. Unter Betrieb wird die organisatorische Einheit verstanden, innerhalb derer ein Unternehmer allein oder in Gemeinschaft mit seiner Mitarbeiter mit Hilfe von sachlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt die sich nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen. Dementsprechend sind Arbeitnehmer anderer Betriebe eines Unternehmens oder eines Konzerns grundsätzlich nicht in die Sozialauswahl mithinzubeziehen.

Persönlich sind in die soziale Auswahl nur solche Arbeitnehmer mithinzubeziehen die dem Betrieb länger als sechs Monate angehören und deren Arbeitsverhältnis ordentlich gekündigt werden kann.

Der Arbeitsgeber hat nur die Arbeitnehmer in die Sozialauswahl mithinzubeziehen die miteinander vergleichbar sind. Die Vergleichbarkeit richtet sich in erster Linie nach Arbeitplatzbezogenen Merkmalen. Vergleichbar sind damit solche Arbeitnehmer die aufgrund Ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse wie nach dem Vertragsinhalt austauschbar sind wobei nur zu prüfen ist ob der unmittelbar kündigungsbedrohte Arbeitnehmer den fortbestehenden Arbeitsplatz übernehmen kann. Es ist damit auf objektive und subjektive Merkmal abzustellen.

Objektive Merkmale sind die Berufsgruppe, der Ausbildungsberuf also die Tätigkeit in der hierarchischen Struktur im Betrieb. Im Rahmen der objektiven Vergleichbarkeit auf horizontaler Ebene sind vergleichbar die Arbeitnehmer die den selben Beruf erlernt haben und ausüben. Bei Identität der zu vergleichenden Tätigkeit spielen Qualifikationsmerkmale keine Rolle.

Auf der subjektiven Ebene können die Qualifikationsunterschiede dann berücksichtigt werden, wenn die Aufgabenbereiche nur teilweise identisch sind. Die zunehmende beruflicher Erfahrung wie die betriebliche Erfahrung und Spezialisierung wird häufig einer Austauschbarkeit der Arbeitnehmer entgegenstehen. Bedarf also ein Arbeitnehmer erst einer qualifizierten Fortbildung oder Umschulung besteht keine Vergleichbarkeit.

In die soziale Auswahl mithinzubeziehen sind nur auf der selben Ebene der Betriebshierarchie beschäftigte Arbeitnehmer. Die Vergleichbarkeit hängt nicht von der eigenen Entscheidung des Arbeitnehmers ab, auch zu veränderten Arbeitsbedingungen anderer Arbeitnehmer weiterzuarbeiten. Durch eine entsprechende Erklärung werden die Arbeitnehmer, die durch die unternehmerische Entscheidung nicht berührt waren, erstmals einer Gefährdung des Arbeitsplatzes ausgesetzt. Bei einer sogenannten vertikalen Vergleichbarkeit würde ein Verdrängungswettbewerb nach unten stattfinden der vom Gesetz nicht beabsichtigt ist.

Unerheblich bei der sozialen Auswahl sind grundsätzlich die unterschiedlichen Arbeitszeiten. Teilzeitbeschäftigte sind deshalb innerhalb der Vorgaben der Organisationsentscheidung des Arbeitgebers dem Kreis vergleichbarer Arbeitnehmer zuzurechnen. Bei der sozialen Auswahl darf die Tatsache der Teilzeitbeschäftigung jedoch nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers berücksichtigt werden. Die unter Berücksichtigung von Arbeitnehmern mit verschiedenen Beschäftigungszeiten durchzuführenden Sozialauswahl lässt sich am besten am Beispiel von zwei Vollzeitbeschäftigten und eine Teilzeitkraft mit 50% der Vollarbeitszeit verdeutlichen:

Fallgruppe 1:

Der Teilzeitgeschäftige Arbeitnehmer ist sozial am wenigsten schutzbedürftig. Entfällt 50 % des Beschäftigungsbedarfs für einen Vollzeit beschäftigen Arbeitnehmer so ist der Teilzeitkraft zu kündigen. Entfällt dagegen 100 % der entsprechenden Beschäftigungsbedarfs ist neben der Teilzeitkraft demjenigen Vollzeitbeschäftigten die Änderungskündigung zu erklären der nach der Teilzeitkraft am wenigsten schutzbedürftig ist. Nimmt dieser Arbeitnehmer das Änderungsangebot nicht an wird die Kündigung als Änderungskündigung wirksam. Dann würde die Teilzeitkraft profitieren, da ihre Kündigung nicht mehr erforderlich wäre.

Fallgruppe 2:

Ein Vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer ist sozial am wenigsten schutzbedürftig. Entfällt 100 % des Beschäftigungsbedarf für einen Vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist diesem zu kündigen. Entfällt nur 50 % des entsprechenden Beschäftigungsbedarf ist dem Vollzeitarbeitnehmer eine Änderungskündigung auf 50 % der Arbeitszeit auszusprechen. Nimmt der dieses Angebot nicht an, wird die Kündigung als Beendigungskündigung wirksam. In diesem Fall bestehen zwei Möglichkeiten: Der Teilzeitbeschäftigte kann sich mit einer Aufstockung seiner Arbeitszeit auf 100 % einverstanden erklären. Lehnt der Teilzeitarbeitnehmer dieses Angebot ab, kann der Arbeitgeber eine weitere Teilzeitkraft mit 50 % der Vollarbeitszeit einstellen.

Auch nicht in die soziale Auswahl einzubeziehen sind freigestellte Arbeitnehmer also Arbeitnehmer die aufgrund eines Sonderurlaubes der Abordnung zu einem anderen Unternehmen oder zu einer Arbeitsgemeinschaft von der Arbeitspflicht bei dem Arbeitgeber befreit sind.

Etwas anderes gilt nur dann wenn diese Arbeitsverhältnisse bis zum Ablauf der Kündigung oder in absehbarer Zeit danach wieder einseitig durch den Arbeitgeber aktiviert werden können.

Nicht in die soziale Auswahl einzubeziehen sind auch Arbeitnehmer bei denen die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber gesetzlich ausgeschlossen ist.

Auswahlmerkmale

Im Rahmen der sozialen Auswahl ist unter mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern derjenige zu entlassen der nach seinen Sozialdaten des wenigsten Schutzes bedarf. Zu bewerten ist mithin das Gewicht der zu berücksichtigenden Sozialdaten. Unberücksichtigt bleiben betriebliche Belange. Zu Berücksichtigen sind folgende Belange:

- Betriebszugehörigkeit
- Lebensalter
- bestehende Unterhaltsverpflichtungen

Problematisch ist bei diesen Gesichtspunkten das Verhältnis der Gewichtungen zueinander.

- Als weitere Auswahlgesichtspunkte kommen insbesondere in Betracht:


- Familienstand
- Einkünfte anderer Familienangehöriger
- Vorhandensein von Vermögen
- Verschuldung
- Gesundheitszustand sowie die Ursachen einer Gesundheitsbeeinträchtigung
- Erkrankung und Pflegebedürftigkeit naher Familienangehöriger
- Arbeitsmarkt; politischer Aspekt



Grundsätzlich hat auch hier wieder im Einzelfalle ein Gesamtabwägung zu erfolgen.

Ab 01.01.2004 gilt als sozialer Gesichtspunkt nach § 1 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz auch die Schwerbehinderung. Zunächst ging man nur von den drei Grunddaten ( Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, bestehenden Unterhaltspflichten) aus da man der Ansicht war das Schwerbehinderte Arbeitnehmer durch die besonderen Schutzgesetzte in § 85 ff SGB IX ausreichend geschützt sein. Aufgrund der Beschlüsse des Ausschusse für Wirtschaft und Arbeit wurde jedoch die Schwerbehinderteneigenschaft als weiteres Merkmal in § 1 Abs. 3 Satz 1 aufgenommen. Die Eigenschaft ist in die soziale Auswahl aufgenommen worden um schwerbehinderte Menschen bei denen der Arbeitgeber einen Antrag gestellt hat und das Integrationssamt zu der betriebsbedingten Kündigung zugestimmt hat im Hinblick auf die Erschwernisse auf dem Arbeitsmarkt bei er sozialen Auswahl zusätzlich zu schützen.

Die Auswahl sollte also nach gesetzlichen Vorschrift zunächst anhand der Gesichtspunkte der Dauer der Betriebszugehörigkeit, des Lebensalters, der Unterhaltspflichten und der Schwerbehinderung erfolgen. Die endgültige Auswahl sollte jedoch dann unter Berücksichtigung weiterer Gesichtspunkte erfolgen.

Nicht in die Sozialauswahl miteinbezogen werden Arbeitnehmer deren Weiterbeschäftigung insbesondere wegen Ihre Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes im berechtigen betrieblichen Interesse liegen. ( § 1 Abs. 3 Satz 2 KüschG) Unter Betriebstechnischen Bedürfnissen werden die Gründe erfasst die zur Aufrechterhaltung der technischen Arbeitsabläufe des Betriebes notwendig sind.

Mit dem Tatbestandsmerkmal der wirtschaftlichen Bedürfnisse stellt das Gesetz demgegenüber auf die Ertragslage des Unternehmens ab. Die sonstigen betrieblichen Bedürfnisse sind Umstände die sich auf die Aufrechterhaltung eines geordneten Betriebsablaufes beziehen. Um festzustellen, ob die Beschäftigung eines Arbeitnehmers für einen geordneten Arbeits- und Betriebsablauf erforderlich ist bedarf es einer Abwägung des Interesses des sozial Schwächeren Arbeitnehmers gegen das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an der Herausnahme bestimmter Arbeitnehmer. Je schwerer dabei das soziale Interesse wiegt umso gewichtiger müssen die Gründe für die Ausklammerung des Leistungsträgers sein. Erhebliche Leistungsunterschiede oder Spezialwissen können z. B in der vielseitigeren Verwendbarkeit eines Arbeitnehmers sowie in besonderen Sprachkenntnissen begründet sein. Ferner hat der Arbeitgeber die Möglichkeit eingearbeitete Fachkräfte bei eine etappenweise Betriebsstillegung mit der Ausführung verbleibender Arbeiten zu beschäftigen, um Einarbeitungszeiten zu vermeiden.

Das BAG bezieht bei der Abwägung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KüschG krankheitsbedingte Fehlzeiten nur dann ein, wenn diese für sich betrachtet eine Kündigung rechtfertigen könnten. Reiche eine Krankheit oder eine Krankheitsanfälligkeit als Kündigungsrund nicht aus läge ein Wertungswiderspruch vor wenn dieser Umstand ausgerechnet bei der Sozialauswahl zum Nachteil eines besonders schutzwürdigen Arbeitnehmers geraten würde.

Auf Verlangen hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe mitzuteilen die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben.

Nach § 1 Abs. 3 Satz 3 KüschG hat der Arbeitnehmer die Tatsache zu beweisen, dass die Kündigung als sozial ungerechtfertigt wegen fehlerhafter Sozialauswahl ist. Wegen des Auskunftsanspruchs des Arbeitnehmers ergibt sich im Prozess eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Das bedeutet das zunächst der Arbeitnehmer behaupten muss die soziale Auswahl sei fehlerhaft vorgenommen worden. Ist der Arbeitnehmer nicht in der Lage substantiiert zur sozialen Auswahl Stellung zu nehmen kann er vom Arbeitgeber Auskunft verlangen, welche Arbeitnehmer in die soziale Auswahl einbezogen, welche sozialen Gesichtspunkte zugrundegelegt und wie sie bewertet worden sind. Entspricht der Arbeitgeber dem Auskunftsverlangen muss der Arbeitnehmer wieder vortragen und gegebenenfalls beweisen, welche vom Arbeitgeber in die Sozialauswahl einbezogenen Arbeitnehmer weniger schutzbedürftig sein sollen oder welche weiteren Arbeitnehmer in die soziale Auswahl einzubeziehen sind. Kommt der Arbeitgeber seiner Auskunftspflicht nicht nach ist der Arbeitnehmer von seinem weiteren substantiierten Bestreiten befreit. Steht dann fest das der Arbeitgeber keine soziale Auswahl vorgenommen hat spricht dies iniziell für die ungenügende Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte. Für das tatsächliche Bestehen von Gründen die nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KüschG eine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten entgegenstehen ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig.

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