Der Elternunterhalt und der Unterhaltsregress durch Sozialhilfeträger

von Rechtsanwalt Günther Dingeldein und Rechtsanwalt Martin Wahlers,
Kanzlei Dingeldein • Rechtsanwälte, 64404 Bickenbach


Auch Kinder können ihren Eltern gegenüber unterhaltspflichtig werden. Dies vor allem dann, wenn ein Elternteil nicht mehr alleine oder mit Unterstützung des anderen leben kann und ins Pflegeheim muss. Häufig reichen die Rente des Pflegebedürftigen und die Leistungen der Pflegeversicherung allein nicht aus, um die Kosten des Pflegeheims zu decken. Dann kommt die Unterhaltspflicht des anderen Elternteils und dann der Kinder in Betracht.

In solchen Fällen sind es üblicherweise nicht die Eltern, die ihre erwachsenen Kinder verklagen, vielmehr gehen die Prozesse von den Trägern der Sozialhilfe aus, die zunächst die Pflegeheimkosten übernehmen und dann gegen die unterhaltspflichtigen Kinder aufgrund Forderungsübergangs Regress nehmen wollen. Die folgende Darstellung soll die relevanten Kernfragen dieser überaus praxisrelevanten und in permanenter Veränderung befindlichen Materie kurz darstellen.

Zunächst muss man sich im Ausgangspunkt verdeutlichen, dass der Elternunterhalt auf einer Art "abgeschwächtem Unterhaltsverhältnis" beruht, weil das Kind durch Aufwendungen für seine Kinder und seine gesetzlichen Rentenbeiträge seine Verpflichtungen gegenüber der älteren Generation tendenziell bereits erfüllt hat.

Bedürftigkeit

Voraussetzung für einen Unterhaltsanspruch der Eltern gegenüber dem Kinde ist zunächst deren Bedürftigkeit.

Die Eltern müssen ihren Bedarf mit ihrem Einkommen und Vermögen grundsätzlich selbst decken. Wenn Einkommensmöglichkeiten nicht genutzt werden, ist der Betrag fiktiv bedarfsmindernd in die Berechnung einzubringen.

Praxisrelevant im Zusammenhang der Bedürftigkeit ist vor allem die Frage des Schonvermögens. Bis auf ein Schonvermögen im Sinne des § 90 SGB XII ist das gesamte Vermögen einzusetzen. Bei der in Betracht kommenden Verwertung (auch) des Vermögensstamms ist eine Zumutbarkeitsabwägung durchzuführen.

Von zentraler Bedeutung hierbei ist die immer wieder aufkommende Frage, ob das Familienheim (der Eltern) verwertet werden muss oder nicht.

Von krassen Ausnahmefällen einmal abgesehen ist das eigene Familienheim dann nicht zu verwerten, wenn es noch von den Eltern oder einem Elternteil bzw. im Fall der Wiederheirat vom Ehegatten des Elternteils bewohnt wird.

Leistungsfähigkeit

Weitere Voraussetzung für den Unterhalt der Eltern ist, dass die Kinder leistungsfähig sind. Hierbei ist zunächst festzustellen, dass den Kindern ein relativ großzügiger Selbstbehalt zuerkannt wird. Er beträgt nach der aktuellen Düsseldorfer Tabelle (01.01.2008) immerhin 1.400 €. In diesem Betrag ist ein Warmmietanteil von 450 € enthalten. Zusätzlich zu diesen 1.400 € kann das auf Unterhalt in Anspruch genommene Kind noch die Hälfte des darüber hinausgehenden bereinigten Nettoeinkommens für sich behalten. Bei der Einkommensbereinigung des Kindes gelten folgende für die Praxis hochgradig relevante Besonderheiten: Das Kind kann rund 20 % des Bruttoeinkommens als primäre Altervorsorge absetzen. Darüber hinaus kann das Kind weitere 5 % seines Bruttoeinkommens als zusätzliche Aufwendung für eine private Altersversorgung in Abzug bringen. Wichtig ist, dass die Altersvorsorge auch tatsächlich erfolgen muss. Ein fiktiver Abzug ist nicht möglich.

In engem thematischen Zusammenhang mit der Problematik der Altersvorsorge steht die Frage, welche Verbindlichkeiten im Rahmen eines Schuldendienstes bereinigend in Ansatz gebracht werden können.

Wiederum spielt die Immobilie hier eine zentrale Rolle.

Grundsätzlich absetzbar sind Zins und Tilgung, insbesondere für die Finanzierung des Familienheims.

Um Missbrauch zu verhindern, sind solche Schulden indes regelmäßig nur dann abzugsfähig, wenn sie nicht in Kenntnis von der Unterhaltsschuld aufgenommen wurden. Sofern die finanziellen Verpflichtungen erst nach Kenntniserlangung von der Unterhaltsschuld entstanden sind, gilt ein strenger Maßstab. Hierbei ist nicht formal-juristisch auf den Zeitpunkt der Entstehung der Unterhaltsverpflichtung abzustellen. Ausreichend für eine Nichtanerkennung der finanziellen Belastungen im Rahmen der Bereinigung des Einkommens soll bereits sein, wenn das Kind in Kenntnis von Umständen, die auf eine baldige Unterhaltsbedürftigkeit der Eltern/eines Elternteils hindeuten, Schulden für den Erwerb einer Immobilie aufnimmt.

Sofern das Kind in einer lastenfreien eigenen Immobilie lebt, ist ein Wohnvorteil in positiven Ansatz zu bringen. Der Wohnwert ermittelt sich hierbei anhand der ersparten Mietaufwendungen, abzüglich der spezifisch mit dem Wohnen in den „eigenen vier Wänden“ verbundenen Belastungen, wie insbesondere Grundsteuer und Instandhaltungsrücklagen für die Immobilie.

Positiv in Ansatz kommen auch eventuelle Vermögenserträgnisse, die immer voll einzusetzen sind.

Im Hinblick auf die Frage der Einsetzbarkeit des Vermögensstamms kann insoweit als gesichert gelten, dass das eigene Familienheim nicht verwertet werden muss. Dieser Grundsatz deckt sich wiederum mit der Anerkennung der Abzugsfähigkeit der anteiligen Finanzierungskosten für das Familienheim.

Wie hoch das Schonvermögen konkret zu bemessen ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Die Praxis stützt sich im Grundsatz auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V., der sich - verkürzt - für Grenzen von 25.000,00 € "plus" Eigenheim oder 75.000,00 € ohne Eigenheim ausspricht. Der BGH hat in seinem viel beachteten Urteil vom 30.08.2006 bei einem Vermögen von rund 113.000,00 € "ohne Haus" die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners verneint.

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