Mobbing, Psychoterror am Arbeitsplatz



Der Begriff Mobbing beschreibt schikanöses Handeln einer oder mehrerer Personen, gerichtet gegen eine Einzelperson oder eine Personengruppe. Diese Handlungen werden meist über einen längeren Zeitpunkt hin wiederholt. Der Täter hat dabei die Absicht, das Opfer in seinem Ansehen zu schädigen und dadurch Vorteile für sich zu gewinnen. Dieser Psychoterror tritt hauptsächlich am Arbeitsplatz auf.

Häufig wird dem "Gemobbten" die Möglichkeit genommen, sich genügend mitzuteilen. Er wird ständig von Kollegen oder Vorgesetzten unterbrochen; die Arbeitsleitung wird unsachlich kritisiert. Insbesondere kann es zu Angriffen auf die sozialen Beziehungen kommen, indem das Mobbingopfer wie Luft behandelt wird, keiner mit ihm spricht und/oder die Kollegen sich von ihm nicht ansprechen lassen.

Als ungerechte Behandlung ist auch die Erteilung von Weisungen in unsachgemäßem Ton oder der Ausspruch nicht gerechtfertigter Rügen bzw. Ermahnungen zu sehen. Ebenso werden häufig Aufgaben übertragen, die weder in den Kompetenzbereich des Arbeitnehmers fallen oder sogar nicht seinem Ausbildungsniveau entsprechen: im Ergebnis soll damit sein Selbstbewußtsein absichtlich verletzt werden.

Die meisten Mobbingopfer gehören zu den jüngeren, unerfahrenen Arbeitnehmern. Uns ist aufgefallen, dass insbesondere Frauen betroffen sind.

Wie soll sich das Opfer verhalten?

Wir stellen immer wieder fest, dass die Opfer über einen relativ langen Zeitraum das schädigende Verhalten der anderen Seite nicht als Mobbing erkennen. Sie suchen zunächst den Fehler in ihrem Verhalten, finden naturgemäß keine Lösung, was ihre Situation nur noch verschlimmert. Im Ergebnis erkranken die Opfer. Aufgrund der sodann vorliegenden Arbeitsunfähigkeit verschärft sich die Situation am Arbeitsplatz. Haben sich etwa vorher noch Kollegen mit dem Opfer solidarisch erklärt, bröckelt dieser Beistand immer mehr ab, da das Opfer als psychisch schwach, lebensuntüchtig, fremd und unberechenbar eingestuft wird.

Hat das Opfer die Absicht der Gegenseite erkannt, sollte es versuchen, die Situation dadurch zu klären, indem es einzelne Personen gezielt auf die Vorfälle anspricht. Meistens kann sich jedoch der Betroffene aus eigener Kraft nicht mehr aus den Klauen des Mobbing Betreibenden befreien. Dann bleibt nur noch die Klärung vor den Arbeitsgerichten mit kompetenter anwaltlicher Hilfe übrig. Hier ist von besonderer Wichtigkeit, dass ein Mobbing-Tagebuch vorgelegt werden kann.

Über einen Zeitraum von mindestens vier Wochen sollte der Gemobbte auflisten, welche schikanösen Handlungen während der Arbeitszeit geschehen sind. Mit einem solchem Tagebuch ist man vor Gericht in der Lage, die Vorfälle genau substantiiert vorzutragen und läuft nicht Gefahr, unzusammenhängend zu beschreiben und/oder wichtige Vorfälle zu vergessen.

Ein substantiierter Vortrag setzt voraus, dass Uhrzeit, Datum, genaue Handlungsverlauf, von wem die Handlungen vorgenommen wurden, wie sich das Opfer in dem Moment gefühlt hat und welche körperlichen Folgen hervorgerufen wurden, vermerkt werden. Sämtliche Zeugen, die in Betracht kommen, sind mit Namen und Adresse anzugeben. Ärztliche Atteste sind beizufügen.

Was kann man aus rechtlicher Sicht nach einer solchen Situation tun?

Das deutsche Rechtssystem enthält keine ausdrücklichen Hinweise darauf, dass Mobbing strafbar ist oder die Betroffenen zivilrechtliche Schritte in die Wege leiten können. Jeder Mensch hat jedoch im Grundgesetz verankerte Rechte, die auch als Schutz vor Mobbing anzusehen sind.

Artikel 1 GG spricht zum Beispiel davon, dass die Würde des Menschen unantastbar ist und dass die staatliche Gewalt dazu verpflichtet ist, dies zu achten und zu schützen.

Artikel 2 GG enthält das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit, zudem hat jeder das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.

Artikel 3 GG legt fest, dass alle Menschen gleich sind und niemand wegen seines Geschlechtes, der Abstammung, der Sprache oder einer Behinderung benachteiligt werden darf.

Um diese Rechte zu verwirklichen, ist es daher notwendig, sich mit Hilfe seines Betriebsrates und eines Rechtsanwaltes an die Strafverfolgungsbehörden zu wenden. Diese sind dann verpflichtet, selbständig Ermittlungen bei erkennbaren Straftatbeständen durchzuführen.
Als Straftatbestände können zum Beispiel in Betracht kommen: die Beleidigung (§ 185 StGB), Bedrohung (§ 241 StGB), Diebstahl (§ 242 StGB), Nötigung (§ 240 StGB), Sachbeschädigung (§ 303 StGB) u.v.m.

Auch das Betriebsverfassungsgesetz enthält eine Reihe von Schutzrechten, die dem Gemobbten eine Möglichkeit geben, sich gegen die Schikane zu wehren.

Darüber hinaus hat jeder Arbeitnehmer hat das Recht, sich bei der zuständigen Stelle des Betriebes form- und fristlos zu beschweren, wenn er sich von Arbeitnehmern des Betriebes benachteiligt oder ungerecht behandelt fühlt. Das Bestehen eines Betriebsrates ist dafür nicht notwendig.

Zunächst sollte man sich beim unmittelbaren Vorgesetzten beschweren. Bei Erfolglosigkeit der Beschwerde kann sich der Arbeitnehmer dann an den Arbeitgeber wenden oder den Personalleiter. Zu seiner Unterstützung oder zur Vermittlung kann der Betriebsrat hinzugezogen werden. Der Arbeitgeber ist daraufhin verpflichtet, das Untersuchungsergebnis der Beschwerde dem Arbeitnehmer unverzüglich mitzuteilen. Erkennt der Arbeitgeber die Beschwerde als berechtigt an, kann der Arbeitnehmer sämtliche Zusagen des Arbeitgebers in einem Verfahren vor Gericht durchsetzen.

Der Arbeitgeber ist ebenfalls dazu verpflichtet, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern.

Dazu gehört auch das Recht des Arbeitnehmers auf Achtung seines Privatlebens. Der Arbeitgeber darf daher selbst keine Verstöße verüben und muss gleichzeitig darüber wachen, dass auch die Arbeitnehmer untereinander diese Grundsätze einhalten. Verstößt der Arbeitgeber schuldhaft dagegen, so können geschädigte Betriebsangehörige Schadensersatzansprüche geltend machen. In der Praxis wird der Arbeitnehmer aber erhebliche Schwierigkeiten haben, einen konkreten Schaden in Geld zu beziffern, so dass ein Schadensersatz häufig ausscheidet. Der Arbeitnehmer hat aber gegebenenfalls ein Recht, seine Arbeitsleistung zu verweigern.

Außerdem besitzt der Betriebs-/Personalrat ebenfalls wie der Arbeitgeber ein Überwachungsrecht. Dieser kann vom Arbeitgeber verlangen, dass Arbeitnehmer versetzt oder entlassen werden, wenn diese durch gesetzeswidriges Verhalten oder durch grobe Verletzung des Betriebsfriedens wiederholt ernsthaft gestört haben. Eine zweimalige schriftliche Abmahnung muss aber vorangegangen sein. Eine Störung kann insbesondere dann vorliegen, wenn ein Arbeitnehmer einen anderen Arbeitnehmer in besonders auffälliger Weise diskriminiert hat, obwohl er sich für die Fehlerhaftigkeit seines Verhaltens ohne weiteres hätte im Klaren sein können. Weigert sich der Arbeitgeber, die vom Betriebsrat beantragte Kündigung oder Versetzung vorzunehmen, kann der Betriebsrat das Arbeitsgericht anrufen, mit dem Antrag, dem Arbeitgeber die Durchführung dieser Maßnahme aufzugeben.

Nach der jüngsten Rechtsprechung sollen Mobbingopfer künftig vor Gericht ernster genommen werden. Das folgt aus einem Grundsatzurteil des Landesarbeitsgerichts Erfurt. Das Gericht wertete den "systematischen Psychoterror" als einen schweren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht und in die Gesundheit des Arbeitnehmers. Bislang gab es zu dieser Problematik keine vergleichbare Entscheidung, auch das Bundesarbeitsgericht war mit dieser Problematik noch nicht befasst.

Das Landesarbeitsgericht betont, jeder Arbeitnehmer habe einen Unterlassungsanspruch gegen jegliches Mobbing. Die Richter stellten 14 Leitsätze auf, nach denen Mobbingfälle künftig entschieden werden können. Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet, das Persönlichkeitsrecht seiner Beschäftigten zu schützen, auch vor Belästigungen durch Dritte.

Ein kluger Arbeitgeber wird selbstverständlich ohnehin selbst kein Mobbing betreiben. Er wird sorgfältig jegliches Mobbing vermeiden wollen. Denn Mobbing schadet nicht nur der Gesundheit der Arbeitnehmer, sondern es ist in jedem Falle für die Firma ein vermeidbarer wirtschaftlicher Verlust (Aktenzeichen des Grundsatzurteils: Landgericht Erfurt, Urteil vom 10.04.2001, Az.: 5 Sa 403/2000).

Die 14 Leitsätze der Grundsatzentscheidung der 5. Kammer des Thüringer Landesarbeitsgerichtes vom 10.04.2001 zu der Rechtsfrage "Mobbing am Arbeitsplatz":


1.
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, das allgemeine Persönlichkeitsrecht der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer nicht selbst durch Eingriffe in deren Persönlichkeits- oder Freiheitssphäre zu verletzen, diese vor Belästigungen durch Mitarbeiter oder Dritte, auf die er einen Einfluß hat, zu schützen, einen menschengerechten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und die Arbeitnehmerpersönlichkeit zu fördern. Zur Einhaltung dieser Pflichten kann der Arbeitgeber als Störer nicht nur dann in Anspruch genommen werden, wenn er selbst den Eingriff begeht oder steuert, sondern auch dann, wenn er es unterläßt, Maßnahmen zu ergreifen oder seinen Betrieb so zu organisieren, dass eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts ausgeschlossen wird.

2.
Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers kann nicht nur im Totalentzug der Beschäftigung, sondern auch in einer nicht arbeitsvertragsgemäßen Beschäftigung liegen. Eine solche Rechtsverletzung liegt vor, wenn der Totalentzug oder die Zuweisung einer bestimmten Beschäftigung nicht bloß den Reflex einer rechtlich erlaubten Vorgehensweise darstellt, sondern diese Maßnahmen zielgerichtet als Mittel der Zermürbung eines Arbeitnehmers eingesetzt werden, um diesen selbst zur Aufgabe seines Arbeitsplatzes zu bringen.

3.
Aus dem Umstand, dass bloß für einen vorübergehenden Zeitraum in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingegriffen wird oder dem Arbeitnehmer dadurch keine finanziellen Nachteile entstehen, kann kein diesen Eingriff rechtfertigendes, überwiegendes schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers hergeleitet werden.

4.
Bei dem Begriff "Mobbing" handelt es sich nicht um einen eigenständigen juristischen Tatbestand. Die rechtliche Einordnung der unter diesen Begriff zusammenzufassenden Verhaltensweisen beurteilt sich ausschließlich danach, ob diese die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Rechtsvorschrift erfüllen, aus welcher sich die gewünschte Rechtsfolge herleiten läßt. Die juristische Bedeutung der durch den Begriff "Mobbing" gekennzeichneten Sachverhalte besteht darin, der Rechtsanwendung Verhaltensweisen zugänglich zu machen, die bei isolierter Betrachtung der einzelnen Handlungen die tatbestandlichen Voraussetzungen von Anspruchs-, Gestaltungs- und Abwehrrechten nicht oder nicht in einem der Tragweite des Falles angemessenen Umfang erfüllen können.

5.
Ob ein Fall von "Mobbing" vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Dabei ist eine Abgrenzung zu dem im gesellschaftlichen Umgang im allgemeinen üblichen oder rechtlich erlaubten und deshalb hinzunehmenden Verhalten erforderlich.

Im arbeitsrechtlichen Verständnis erfaßt der Begriff des "Mobbings" fortgesetzte, aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen, die nach Art und Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind und jedenfalls in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder andere ebenso geschützte Rechte, wie die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen. Ein vorgefaßter Plan ist nicht erforderlich. Eine Fortsetzung des Verhaltens unter schlichter Ausnutzung der Gelegenheiten ist ausreichend. Zur rechtlich zutreffenden Einordnung kann dem Vorliegen von falltypischen Indiztatsachen (mobbingtypische Motivation des Täters, mobbingtypischer Geschehensablauf, mobbingtypische Veränderung des Gesundheitszustands des Opfers) eine ausschlaggebende Rolle zukommen, wenn eine Konnexität zu den von dem Betroffenen vorgebrachten Mobbinghandlungen besteht. Ein wechselseitiger Eskalationsprozeß, der keine klare Täter-Opfer-Beziehung zuläßt, steht regelmäßig der Annahme eines Mobbingsachverhaltes entgegen.

6.
Die vielfach dadurch entstehende Beweisnot des Betroffenen, dass dieser allein und ohne Zeugen Verhaltensweisen ausgesetzt ist, die in die Kategorie Mobbing einzustufen sind, ist durch eine Art 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und damit den Grundsätzen eines fairen und auf Waffengleichheit achtenden Verfahrens entsprechende Anwendung der §§ 286, 448, 141 Abs. 1 Satz 1 ZPO auszugleichen. Dabei muß die im Zweifel erforderliche Anhörung einer Partei bei der gerichtlichen Überzeugungsbildung berücksichtigt werden.

7.
Der für eine auf Erfüllung (Vornahme einer Handlung, Unterlassung) gerichteten einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund liegt vor, wenn ihr Nichterlaß auf eine Rechtsschutzverweigerung hinauslaufen würde und das sich aus dem summarischen Charakter des einstweiligen Verfügungsverfahrens ergebende Fehlentscheidungsrisiko der Antragsgegner trägt.

8.
Die Auswahl des Rechtsschutzziels ist auch unter Geltung des im Verfahren der einstweiligen Verfügung die Anforderungen nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erleichternden § 938 Abs. 1 ZPO nicht dem Gericht überlassen.

9.
Eine auf Feststellung gerichtete einstweilige Verfügung ist nur dann zulässig, wenn sie als Mittel des Rechtsschutzes nicht subsidiär ist und es völlig unzumutbar ist, den Antragsteller auf die Durchführung des Hauptverfahrens zu verweisen.

10.
Weder die Parteizustellung noch Amtszustellung sind Maßnahmen der Vollziehung einer einstweiligen Verfügung im Sinne des § 929 Abs. 2 ZPO.

11.
§ 929 Abs. 2 ZPO ist auch auf einstweilige Verfügungen anwendbar, die auf Unterlassung gerichtet sind.

12.
Die Vollziehung von Unterlassungstiteln beginnt mit der Androhung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 1 ZPO. Dies gilt auch dann, wenn die Androhung des Ordnungsmittels gemäß § 890 Abs. 2 ZPO bereits in dem Unterlassungstitel enthalten ist.

13.
Zur Wahrung der nach § 929 Abs. 2 ZPO einzuhaltenden Vollziehungsfrist reicht grundsätzlich der Antrag auf Vornahme von Vollstreckungsmaßnahmen aus. Ist dieser Antrag schon während des Erkenntnisverfahrens gestellt, um die von § 890 Abs. 2 ZPO vorgesehene Möglichkeit der bereits im Urteil erfolgenden Androhung von Ordnungsmitteln wahrzunehmen, dann wird dadurch die Vollziehungsfrist nicht gewahrt. Die Wahrung der Vollziehungsfrist einer durch Urteil ergangenen, die Androhung von Ordnungsmitteln enthaltenden einstweiligen Unterlassungsverfügung kann deshalb frühestens mit deren Amtszustellung erfolgen, wenn nicht ausnahmsweise nach § 929 Abs. 3 ZPO hierfür bereits die Urteilsverkündung ausreicht.

14.
Zur Erledigung einer auf Unterlassung gerichteten, zeitlich befristeten einstweiligen Verfügung und des hierüber geführten Rechtsmittelverfahrens durch Zeitablauf in der Rechtsmittelinstanz.


Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.



 
     
   
www.dingeldein.de -