Größere Chancen auf ein angemessenes Schmerzengeld


Der Gesetzgeber hat durch das zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften die Möglichkeit der Geltendmachung von Schmerzensgeld im Bereich des Verkehrsunfallrechts erheblich erweitert.

Diese neue Regelung betrifft sämtliche Unfälle, die nach dem 01.08.2002 verursacht wurden.

Nach § 11 Abs. 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG) ist es nunmehr für den Anspruch auf Schmerzensgeld nicht mehr zwingend erforderlich, dass den Unfallgegner ein Verschulden trifft. Ausreichend ist, wenn der Unfallgegner allein aus reiner Betriebsgefahr haftet. Doch was bedeutet das für die Praxis?

Das deutsche Straßenverkehrsrecht kennt zwei Haftungsgrundlagen:

1.
§ 18 StVG
normiert, dass grundsätzlich ein Verschulden des Fahrzeugführers für eine Haftungsbegründung erforderlich ist. Ein Verschulden fällt dem Fahrer beispielsweise dann zur Last, wenn er den Blinker nicht betätigt, die Vorfahrt missachtet, den Sicherheitsabstand nicht einhält, das Fahrzeug nicht ordnungsgemäß beleuchtet hat oder vorschriftswidrig überholt.

2.
Gemäß § 7 StVG kann jedoch auch der Halter des unfallbeteiligten Fahrzeugs in Haftung genommen werden, wenn sich im Unfall die Betriebsgefahr des Kfz verwirklicht hat. Dies ist dann der Fall, wenn der Unfall - obwohl den Fahrer kein Verschulden trifft - vermeidbar gewesen wäre. Das Gesetz fordert also, den Unfall nach allen Möglichkeiten zu verhindern, insbesondere durch risikofreie Ausweichmanöver.

Sollten daher beide Unfallbeteiligte dem Grunde nach haften, ist eine Haftungsquote zu bilden.

Ein Beispiel zur Verdeutlichung:

Ein Mercedes nähert sich auf einer vorfahrtsberechtigten Straße einer Kreuzung. Der an sich wartepflichtige BMW missachtet die Vorfahrt und fährt in den Kreuzungsbereich. Es kommt zum Unfall, obwohl der Mercedes hätte ausweichen können. Beide Fahrer sind körperverletzt.

Im Ergebnis haftet der Fahrer des BMW wegen eines Verschuldens - Missachtung der Vorfahrt - und der Halter des Mercedes wegen der verwirklichten Betriebsgefahr - Ausweichmöglichkeit -. Die Abwägung könnte nun eine Haftungsquote von 25 zu 75 zu Gunsten des Mercedes ergeben.

Für Sachschäden bedeutet dies, dass diese im Verhältnis der Haftungsquote durch die Unfallbeteiligten zu tragen sind.

Für Personenschäden und dem daraus resultierenden Schmerzensgeldanspruch hatte dies nach alter Rechtslage Folgendes bedeutet:

Nur der Mercedesfahrer konnte gegen den BMW-Fahrer, bzw. dessen Haftpflichtversicherung einen Schmerzensgeldanspruch geltend machen, da diesen - wie zwingend erforderlich - ein Verschulden trifft.

Der BMW-Fahrer konnte kein Schmerzensgeld beanspruchen, da der Mercedeshalter lediglich aus der Betriebsgefahr haftete.

Aufgrund der neuen Gesetzesänderung kann auch der BMW-Fahrer gegen den Mercedes-Halter, bzw. dessen Haftpflichtversicherung ein Schmerzensgeld, zumindest dem Grunde nach, geltend machen.

Die vor dem 1.08.2001 zwingend erforderliche Verschuldensfrage entscheidet gemäß § 11 Abs. 2 StVG nun nicht allein über den Anspruchsgrund. Der Umstand, dass -wie im Beispielsfall- allein eine Haftung aus Betriebsgefahr besteht, wird allerdings bei der Höhe des Schmerzensgeld Berücksichtigung finden.

Einschränkungen:

Auf der anderen Seite hat der Gesetzgeber die Möglichkeit der Geltendmachung von Schmerzensgeld im Bereich der Bagatellverletzungen stark eingeschränkt.

Das Änderungsgesetz hat nämlich bei der Neuregelung der Schmerzensgeldbestimmung als Rechtsfolge eine "billige Entschädigung" normiert.

Nach der Gesetzesbegründung bedeutet dies, dass eine Entschädigung dann unbillig, und damit zu versagen ist, wenn der Geschädigte lediglich Bagatellverletzungen erlitten hat.

Dies soll dann der Fall sein, wenn ausschließlich
  • leichte HWS-Verletzungen ersten Grades,
  • Kopfschmerzen,
  • Schleimhautreizungen,
  • Prellungen, Schürf- und Schnittwunden,
  • sowie Zerrungen und Stauchungen
erlitten wurden.

Ob sich dadurch die Schmerzensgeldregelungen vereinfacht haben, bleibt abzuwarten und wird die Rechtsprechung zeigen.

Bickenbach, 28.08.2002
Rechtsreferendar Mirko Walbach, Dingeldein Rechtsanwälte, Bickenbach

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