Probleme und Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen des Behindertentestamentes

Stand: August 2002


Eltern behinderter Kinder stehen bei der Regelung über die Verteilung ihres Vermögens vor einem Problem.

Einerseits geht es um die weitgehende Sicherung ihres Familienvermögens. Sie wollen verhindern, dass Ansprüche nach dem Bundessozialhilfegesetz dafür sorgen, dass notwendigen Kosten einer eventuell notwendigen Heimunterbringung durch ihre vererbte Vermögensmasse getragen werden.

Andererseits wollen sie aber auch nicht, dass das behinderte Kind leer ausgeht. Im Ergebnis soll es nur solche Zuwendungen bekommen, die seine Lebensqualität verbessern, aber nicht vom Sozialhilfeträger angerechnet werden können.

Bezüglich der Lösung dieses Problems, sind mehrere Möglichkeiten entwickelt worden, von denen die wichtigsten im Folgenden aufzeigen werden.

Ausgangspunkt ist immer der Schutz des Behinderten vor seinen Eigengläubigern. Es kommen folglich nur solche Gestaltungsmittel in Betracht, die dem Behinderten einen Vollstreckungsschutz gegenüber seinen Eigengläubigern gewährt. Als Mittel stehen dazu im deutschen Erbrecht die Vor- und Nacherbschaft und die Testamentsvollstreckung zur Verfügung. Beide Gestaltungsmöglichkeiten verbieten die Verwertung durch die Eigengläubiger des Erben.

Am praktikabelsten ist eine Kombination aus einer Vor- und Nacherbschaft und einer Testamentsvollstreckung.

1. Vor- und Nacherbschaftslösung

Bei dieser Lösungsmöglichkeit wird das behinderte Kind bezüglich eines Vermögensteils als Vorerben eingesetzt. Hierbei ist insbesondere darauf zu achten, dass der zugewendete Vermögensteil mindestens dem Pflichtteil entspricht. Ansonsten entstünde ein Pflichtteilsergänzungsanspruch, der dann vom Sozialhilfeträger gegenüber dem anderen Erben geltend gemacht werden könnte.

Als Nacherben setzt man dann diejenige Person ein, die nach dem Tod des behinderten Kindes die Vorerbschaft erhalten soll. Dabei ist an eine Regelung bezüglich einer Ersatzerbschaft zu denken. Diese wäre dann notwendig, wenn der eingesetzte Nacherbe vor dem Vorerben versterben sollte. Desweiteren sollte ein Testamentsvollstrecker eingesetzt werden.

So kann sichergestellt werden, dass auch die Nutzungen der Vorerbschaft vor dem Zugriff des Sozialhilfeträgers gesichert werden.

Bei der Gestaltung des Testamentes ist Folgendes zu beachten:

a.
Die Einsetzung sollte wesentlich über dem gesetzlichen Pflichtteil liegen.

Liegt sie unter dem Pflichtteil, entsteht ein Pflichtteilsergänzungsanspruch, der dann vom Sozialhilfeträger geltend gemacht werden kann. Zu beachten ist insoweit aber auch das Ausschlagungsrecht. Dieses Ausschlagungsrecht kann vom Betreuer des Behinderten in dessen Interesse wahrgenommen werden. Dies hat zur Folge, dass die gewillkürte Erbfolge nicht eintritt und dass dann gesetzliches Erbrecht entsteht. Dieser Anspruch wäre dann auch wieder dem Zugriff des Sozialhilfeträgers ausgesetzt.

Bei der Möglichkeit einer Ausschlagung ist allerdings immer zu beachten, dass allein das Interesse des Behinderten und nicht das Interesse der Allgemeinheit, möglichst wenig für ihn aufwenden zu müssen, entscheidend ist.

b.
Bei der Einsetzung als Vorerben ist insbesondere darauf zu achten, dass der behinderte Erbe nicht von den Beschränkungen der Vorerbschaft befreit wird. Sollte es sich im Ergebnis um einen befreiten Vorerben handeln, so entstünde eine mittelbare Zugriffsmöglichkeit durch den Träger der Sozialhilfe.

c.
Bei der Auswahl des Testamentsvollstreckers ist besonders darauf zu achten, dass er nicht jetzt oder später auch der Betreuer des Behinderten ist oder wird. Dies wird von manchen Vormundschaftsgerichten mit Hinweis auf die Personenidentität abgelehnt.

2. Vermächtnislösung (weniger empfehlenswert)

Die Vermächtnislösung ähnelt im Ergebnis der Lösung bezüglich der Vor- und Nacherbschaft. Hier wird dem behinderten Kind anstelle einer Vorerbschaft ein Vorvermächtnis zugewendet. Weiterhin ist dann natürlich ein Nachvermächtnisnehmer erforderlich.

Die einzelnen Voraussetzungen dieser Lösung sind:

a.
Auch das Vorvermächtnis muss wesentlich höher als der Pflichtteil sein. Dies geschieht aus den gleichen Gründen wie bei der Vor- und Nacherbschaftslösung.

b.
Auch bei der Auswahl des Testamentsvollstreckers ist darauf zu achten, dass er nicht jetzt oder später Betreuer des Behinderten ist oder sein wird.

Für die Vermächtnislösung spricht, dass der Vorerbe zugunsten des Nacherben mit Verfügungsbeschränkungen sowie Kontroll- und Sicherungsverpflichtungen belastet wird.

Gegen diese Lösung spricht, dass der Vermächtnisnehmer nur einen Anspruch gegen den Erben hat. Bei einer Einsetzung als Vorerben hat er eine dingliche Berechtigung am Nachlass, was im Ergebnis für die Vor- und Nacherbschaftslösung spricht.

3. Auflagelösung (weniger empfehlenswert)

Es besteht auch die Möglichkeit, nur die gesunden Kinder als Erben einzusetzen. Diese würden dann mit der Auflage beschwert, dem Behinderten seine Lebensqualität verbessernder laufende Zuwendungen nach freiem Ermessen zukommen zu lassen.

Gegen diese Lösung spricht, dass so ein Pflichtteilsergänzungsanspruch entsteht, der vom Sozialhilfeträger gegenüber den Erben geltend gemacht werden kann. Auflageleistungen sind nämlich nicht auf den Pflichtteilsanspruch anzurechnen.

4. Fehler bei der Gestaltung

Bei der Gestaltung des Testamentes ist insbesondere darauf zu achten, dass folgende Gestaltungen auf jeden Fall vermieden werden:

a.
Der Behinderte wird von der gesetzlichen Erbfolge vollkommen ausgeschlossen.

b.
Dem Behinderten wird eine Erbquote zugewendet, die geringer ist als sein Pflichtteil.

c.
Dem Behinderten wird ein Vermächtnis zugewendet, dessen Wert aber geringer ist als der des Pflichtteils.

5. Schwachpunkte der aufgezeigten Lösungsmöglichkeit

Im Rahmen des Behindertentestaments sind jedoch (leider) einige Schwachpunkte aufzuzeigen, die eventuell der Wirksamkeit entgegenstehen.

Es besteht die Möglichkeit, das Behindertentestament als sittenwidrig einzustufen.

Erstens kann dies im Hinblick darauf begründet werden, dass der Zugriff des Sozialhilfeträgers ausgeschlossen ist und dadurch unerträgliche Belastungen in der Allgemeinheit vorgebracht werden. Dieses Problem ist rechtlich noch nicht endgültig entschieden.

Es zeichnet sich jedoch ab, dass eine Sittenwidrigkeit grundsätzlich zu verneinen ist. Dies allerdings dann nicht, wenn das vererbte Vermögen beträchtlich über einer halben Million DM liegt. Es empfiehlt sich insoweit, das zu vererbende Vermögen durch rechtzeitige Schenkungen zu verringern.

Die Sittenwidrigkeit wird auch unter dem Gesichtspunkt der Einsetzung eines Testamentsvollstreckers begründet. Auch dadurch ist ja der Zugriff des Sozialhilfeträgers ausgeschlossen. Grundsätzlich ist jedoch die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers zulässig. Es geht hier um die Erhaltung der Substanz und darum, dass die Früchte der Substanz dem Vorerben zukommen sollen. Folglich dürfte aus diesem Grunde eher eine Sittenwidrigkeit abzulehnen sein.

Es wird teilweise vertreten, dass das Ausschlagungsrecht des Erben auf den Sozialhilfeträger übergehen soll. Diese Konstruktion ist eher abzulehnen, denn das Ausschlagungsrecht ist ein höchst persönliches Recht, das ausschließlich durch den Erben ausgeübt werden kann.

(Stand: August 2002)

(Rechtsanwalt Günther Dingeldein, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Familienrecht)

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